Hat mir Baumi grad geschickt, ich veröffentlich das mal unter Vorbehalt:
«Jörg, du warst nur zu klein, aber sonst . . .»
Nürnbergs Hans Meyer ist eine der schillernden
Trainerfiguren der Bundesliga – ein Gespräch über neun
Stunden Schlaf, rauchende Fussballer und das grosse
Glück seines Lebens
Mit Hans Meyer sprachen Jörg Stiel und Thomas
Schifferle, Nürnberg
Jörg Stiel: Hans, was gibt dir der Trainerberuf als
Mensch?
Wie immer bei solchen Fragen muss man ausholen, Jörg.
Ich bin mehr oder weniger zufällig Trainer geworden.
Ich hatte meinen Universitätsabschluss und sollte in
den Schuldienst einsteigen.
Stiel: Was heisst sollte?
Ich hatte die Lehrbefähigung für Sport und Geschichte.
Dann wurde ich von Georg Buschner (seinem alten
Trainer in Jena) während meiner aktiven Zeit als
Fussballer freundlicherweise gefragt: «Hörst du nicht
mit Fussballspielen auf? Willst du den Käse, den du
gespielt hast, nicht endlich beenden und mein
Nachfolger werden?» Ich entschied mich relativ
schnell. Dass ich den Trainerberuf ausüben konnte,
hat sich für mich als Glücksfall herausgestellt.
Nicht weil ich jetzt finanziell unabhängig bin. Nein,
das hätte ich auch nach 20 Jahren als Trainer in der
DDR gesagt, als ich noch gar nicht abgesichert war.
Da hast du ja mehr für den Sozialismus gearbeitet als
fürs Geld.
Stiel: Warum ein Glücksfall?
Als ich das Abitur machte, stand ich zweimal in der
Woche auf und sagte: «Jetzt wäre es gut, wenn ich
krank sein könnte.» Meine Mutter machte da nicht immer
mit. Aber in meiner ganzen Zeit als Trainer, und das
sind immerhin 36 Jahre, kann ich mich fast nicht
erinnern, dass ich einmal gesagt habe: «Ich gehe nicht
gerne zur Arbeit.» Kannst du dir etwas Schöneres
vorstellen, als dass der wichtigste Teil deines
Lebens, die Arbeit, mit Spass und Freude verbunden
ist?
Stiel: Das war jetzt . . . Entschuldigung, der zweite
Teil der Antwort kommt noch. Dass meine Arbeit am Ende
auch noch Geld abgeworfen hat, dass ich seit einem
bestimmten Zeitpunkt ökonomisch unabhängig bin und
notfalls sagen kann: «Ihr könnt mich alle mal»,
empfinde ich als grosses Glück.
Stiel: Was sagt das über dich als Menschen?
Wenn du ständig in der Öffentlichkeit stehst,
entwickelst du dich weiter. Du hast keine Angst mehr,
vor einer grossen Gruppe zu reden. Ich war nie so
selbstbewusst, dass das selbstverständlich gewesen
wäre. Aber das ist automatisch gekommen. Ich mache
meinen Beruf gerne, und viele sagen: «Du machst ihn
gut», und das hebt mein Selbstwertgefühl. Ich habe
meinen Beruf so gerne gemacht, dass deshalb eine
ganze Menge anderer Dinge vielleicht zu kurz gekommen
sind. Das bekommt man mit, wenn man wie ich 65 wird.
Stiel: Zum Beispiel?
Ich will das nicht verhehlen: Meine Ehe ist zwar nicht
am Fussball kaputtgegangen. Aber natürlich hat er ein
bisschen dazu beigetragen, dass ich meiner Familie und
meiner Frau nicht so viel Zeit gewidmet habe, wie das
in einem anderen Beruf möglich gewesen wäre.
Was ist denn so spannend am Trainerberuf?
Das ist die Tatsache, dass wir immer mit jungen Leuten
arbeiten, mit ihrer ganzen Unterschiedlichkeit, und
dass alle einen genügend guten Kern haben, damit die
Arbeit mit ihnen Spass macht.
Stiel: Was ich noch sagen wollte, ich habe erst nach
meinem Rücktritt gemerkt, wie absorbiert man als
Fussballer ist.
Während der Saison hast du kaum eine Chance,
gedanklich vom Beruf wegzukommen. Dann kommen die
Ferien, und das meist im Juni, aber alle zwei Jahre
findet eine Europa- oder Weltmeisterschaft statt. Was
sind das denn für Ferien, wenn du vor dem Fernseher
hockst, weil das für die Weiterbildung Pflicht ist?
Frag mal meine Frau, von der ich jetzt getrennt bin,
ob es mir möglich war, während auch nur eines Tages
nicht mit dem Manager zu reden, weil in dieser Zeit
gerade Transferperiode ist?
Stiel: Das alles . . .
Damit habe ich aber nicht gesagt, dass ich mich
darüber beschweren will. Wenn ich so grüble, sage ich
mir: Ich wohne hier in Nürnberg im Zentrum und kriege
jetzt Dinge mit, die so ganz normal sind für einen
Single oder auch einen Verheirateten: dass er
einkaufen geht, dass er guckt, wo er eine Zahnpasta
herholt. Das ist für mich alles ein Problem, ach ne:
nicht Problem. Es ist einfach neu.
Sie entdecken das Leben? Oder den Alltag?
Ja, das ist ein guter Ausdruck. Mein Gott, das könnte
ja ein Titel sein.
Stiel: Als Fussballer lebst du unter einer Glocke. Du
nimmst so viele Dinge des richtigen Lebens gar nicht
wahr. Es gibt Fussballer, die können ja nicht einmal
selbst eine Einzahlung machen.
Mit dem Einzahlen habe ich kein Problem, das geht
automatisch, aber mit dem Abheben (lacht).
Stiel: Du warst 25 Jahre lang Trainer in der DDR.
Welche Rolle hat es für dich gespielt, 1996 bei Twente
Enschede erstmals im Westen arbeiten zu können?
Das Angebot von Twente war ein unheimlich glücklicher
Umstand. Da griff ich gerne zu. Aber heute kann ich
nicht sagen, dass sich in meiner Trainertätigkeit nach
dem Wechsel vom Osten in den Westen etwas geändert
hat.
Stiel: Ich werde immer wieder gefragt, was Hans Meyer
ausmacht. Und dann erzähle ich, dass du zu einem
Verein gehst und gleich Ordnung ins Chaos bringst, ob
in Mönchengladbach, in Berlin, in Nürnberg.
Von dir hätte ich erwartet, dass du etwas anderes
sagst. Wenn meine ehemaligen Spieler sonst gefragt
werden, was mit dem Meyer sei, sagen sie zwei Dinge.
Das Erste ist vielleicht nicht ganz so wesentlich,
aber sie sagen: «Wir haben immer gut gegessen bei
ihm.» (lacht) Und das Zweite ist: «Disziplin!» Stiel:
Nein, nein, ich rede von Ordnung.
Das ist dasselbe.
Stiel: Nein, nein. Ich hatte ein so schönes Leben bei
dir, das kann ich jetzt öffentlich sagen.
Du durftest das Training auslassen. Dafür hast du mir
dann geholfen bei der Schweizer Geldanlage.
Stiel: Was ich eigentlich sagen will: Bei dir weiss
ein Spieler, was er auf dem Platz zu tun hat. Du hast
das Gespür, wie du mit Spielern umgehen musst.
(Meyer nickt strahlend.)
Stiel: Ich erinnere mich an den Tag vor meinem ersten
Spiel unter dir gegen Bayern. Ich sass im Garten des
Hotels und las im «Spiegel». Das war genau die
Ausgabe, in der dir vorgehalten wurde, du hättest für
die Stasi gearbeitet . . .
. . . ich war schon damals der Meinung, dass das Blatt
nichts taugt.
Stiel: Wir redeten später darüber, du hast mir über
die DDR erzählt, über den Sozialismus. Unsere
privaten Gespräche waren für mich der wichtige Teil,
um mich als Fussballer bei dir wohl zu fühlen.
Schreiben Sie das auf, schreiben Sie das auf (lacht).
Warum sträuben Sie sich so sehr gegen den Begriff
Disziplin?
Genauso wie dieses Wort hasse ich, wenn es heisst: Der
Meyer ist ja fleissig. Die Hässlichen und die Dummen
sind fleissig, weil sie sich bemühen müssen. Hier in
Nürnberg wundern sie sich, dass ich der Erste bin, der
da ist, und der Letzte, der geht. Das macht mich
kaputt. Ich werde so gut bezahlt, da kann man von mir
verlangen, dass ich gewisse Dinge vorlebe.
Stiel: Aber die Disziplin . . .
Fussball ist kein Marathonlauf, bei dem man sich
selbst disziplinieren muss. Fussball ist nun mal ein
Teamsport, und wenn man als Team etwas erreichen will,
muss man sich an bestimmte Regeln halten. Wenn 24
Spieler beim Training auf mich warten und ich zehn
Minuten zu spät komme, geht das nicht. Im Team ist
wichtig: Es braucht Achtung und Respekt gegenüber
dem anderen. Man darf den anderen nicht beleidigen.
Wenn man mit jungen Menschen arbeitet, ist es immer
gut, etwas über den Verstand zu erreichen. Doch jetzt
kommt es: Mit der Vernunft und wenn man bei einem
Spieler zu viel voraussetzt, kann man schnell auf dem
Holzweg sein. Wegen der Unterschiedlichkeit der Typen
in einer Mannschaft muss eine gewisse Zwangsführung da
sein.
Stiel: Mit einer gewissen Selbstverantwortung kann
sich doch trotzdem jeder die Freiheit herausnehmen,
die er braucht.
Wichtig ist, die Spieler zu dieser
Selbstverantwortung zu bringen.
Das Wichtigste ist: Wenn du vor den Spielern stehst,
muss das, was du vom Fussball weisst und was du von
ihnen auf dem Platz erwartest, so rüberkommen, dass
es bei ihnen keine Fragen und Zweifel gibt. Es darf
keine Fragen und Zweifel an meiner fachlichen
Kompetenz und Autorität geben.
Denn diese Kompetenz und Autorität halte ich für jeden
Trainer der Welt noch immer für das Wichtigste.
Stiel: Ich habe mir Gedanken gemacht, was ich von
meiner Zeit in Mönchengladbach mitgenommen habe.
Ausser dem Geld?
Stiel: Das habe ich schon lange nicht mehr.
Jörg, dafür können wir jetzt aber nichts (grinst).
Stiel: Ich habe gelernt, was Demut ist. Ich habe das
Wort früher gar nicht gebraucht.
Ich auch nicht. Und weisst du warum? Weil es in
Deutschland eine andere Bedeutung hat als in Holland.
Demütig ist: Man kriegt eine geschmettert und hält die
andere Wange auch hin. In Deutschland gilt das
gleichzeitig als dumm. Mit demütig meine ich: dass
man hinhört und sich selbst nicht in den Vordergrund
stellt. Wenn du das so siehst, Jörg, kann das etwas
Positives sein.
Stiel: Demut hat mit Dankbarkeit zu tun – mit der
Dankbarkeit, Fussballer sein zu dürfen. Man muss sich
bewusst sein, was damit alles verbunden ist. Ich habe
auch gemerkt, warum du gewissen Dingen eine spezielle
Bedeutung beimisst. Warum wir zum Beispiel vor einem
Spiel immer ins Hotel gingen. Der moderne Mann steht
ja nachts auf, wenn das Kind schreit . . .
. . . und was ist die Folge beim Fussballer, wenn er
das macht? Er bekommt zu wenig Schlaf. Ich bin
absolut gegen Machos, die sagen: Lass mich in der
Nacht zufrieden. Aber wenn ein Fussballer von seinem
Kind im Schlaf gestört wird, hat er am Wochenende
Schlafdefizite. Das wird in der ganzen Regeneration
von Leistungssportlern total unterschätzt. Alles, was
schön und interessant ist für junge Menschen, spielt
sich spätabends oder nachts ab. Und wenn sie unter der
Woche nicht vor 24 Uhr ins Bett kommen, ganz zu
schweigen davon, dass da die ehelichen Pflichten auf
sie warten, und wenn sie dann um 5 Uhr aufstehen und
dem Kind die Milch geben, weil es quäkt, fehlt ihnen
einfach der Schlaf.
Stiel: Da sind wir bei den täglich neun Stunden
Schlaf, die du von deinen Spielern immer forderst.
Wenn einer permanent eine, eineinhalb Stunden Schlaf
pro Tag zu wenig hat, kommt schnell ein ganzer Tag
zusammen. Dann ist diese körperliche
Wiederherstellung, diese Konzentrationsfähigkeit,
diese Frische im Spiel nicht so gegeben, wie es der
fantastische Beruf, das viele Geld und die
Öffentlichkeit von einem Spieler fordern.
Das ist für Sie der Preis, den ein Fussballer für
seinen Beruf zahlen müsste.
Eigentlich ja. Es geht um das Bewusstsein, dass man in
den zwölf Jahren als Spieler gewisse Abstriche machen
muss, gemeinsam mit seiner Partnerin. Er muss sagen:
«Wir gehen schon zum Tanzen, aber nicht jede Woche
dreimal. Und ich kann am Donnerstag nicht mit zu der
Party.» Aber Sie würden sich wundern, wie wenig die
Jungs ihre Frauen im Griff haben, wie wenig sie ihnen
klar machen, dass Fussball nicht nur ein Spiel ist,
sondern auch ein schwerer Beruf. Die Mädels wissen gar
nicht, was ihren Männern an Psyche und Physis
abverlangt wird. Nicht dass sie böswillig sind, aber
sie sind jung und wollen leben.
Von David Beckham heisst es, dass er eine Party um
zehn Uhr abends verlässt.
Aber was bringt das, wenn er bis vier Uhr morgens
nicht schlafen kann, weil er nicht weiss, was seine
Frau so lange macht? (lacht) Was ist, wenn ein
Fussballer raucht oder trinkt?
Ein Bier am Abend vor dem Spiel oder die zwei Bier
danach halte ich für eher gesund. Die Nieren
arbeiten, man sorgt für eine gesunde Müdigkeit. Aber
ich weiss, dass das Trinken absolutes Gift ist, wenn
es nicht in Massen passiert. Und dass das Rauchen
immer schadet, auch wenn es nur drei Zigaretten pro
Tag sind. Dennoch habe ich nie nach Rauchen und
Trinken aufgestellt, sondern immer nach Leistung.
Stiel: Dann hatte ich Glück. Ich habe geraucht.
Als Fussballspieler habe ich dich immer akzeptiert. Du
warst als Torhüter nur zu klein, aber sonst . . . Ich
habe einem Spieler immer zu sagen versucht: Wenn du
nicht rauchen würdest, wärst du besser, wärst du in
der 85. Minute noch konzentrierter.
Was macht ein Trainer in der Bundesliga?
Macht der die Spieler besser oder die Mannschaft?
Ich glaube, in der Regel ist das die Mannschaft. Das A
und O in einer Mannschaft ist, dass die Balance
stimmt.
Das heisst, dass nicht immer die elf individuell
Besten spielen.
Wenn es nicht zusammenpasst, muss man manchmal auf
den besseren Spieler verzichten. Aber wenn neben dem
glänzenden Mittelfeldspieler, der im Defensivbereich
ein paar Schwächen hat, zwei Vollzugsgehilfen stehen,
die für ihn die Schmutzarbeit erledigen, macht man
diesen Spieler besser. Und wenn man dem spielerisch
beschränkten X oder Y sagt, er sei unverzichtbar für
die Mannschaft, weil er dem anderen Spieler den Rücken
freihalte, macht man auch ihn besser. Er glaubt mehr
an sich.
In diesem Zusammenhang haben Sie einmal das Beispiel
des Franzosen Claude Makelele erwähnt.
Bei Real wissen heute noch nicht alle, was sein
Weggang zu Chelsea für die Mannschaft bedeutet hat.
Makelele machte all die wunderbaren Fussballer,
Zidane, Figo, zehn Prozent stärker – nur er. Mit einem
Makelele kann ein Trainer eine Mannschaft besser
machen. Aber er hat normalerweise gar nicht die Zeit,
den linken Fuss eines Spielers so zu verbessern, wie
das nötig wäre. Ein wenig geht das sicher, wenn der
Spieler coachbar ist. Aber man würde sich wundern, bei
wie vielen Jungs ein ganz normales kritisches Wort
oder eine Korrektur im Training bereits Herzkrämpfe
auslöst. Wie will er weiterkommen, wenn er das nicht
verarbeitet? Oder die Jungen, die schnell
hochschiessen und hochgelobt werden – die sind nicht
mehr coachbar. Sie hören einem Trainer nicht mehr zu.
Auch in Nürnberg nicht?
Das gibt es überall.
Sie gelten, wenn man Sie kritisch sieht, als zynisch,
schroff, abweisend, ironisch.
Was stimmt davon?
Zynisch akzeptiere ich absolut nicht, weil das etwas
völlig Negatives ist. Zynismus hasse ich geradezu.
Aber bitte, Ironie, auch die Eigenironie, finde ich
eine schöne Sache – auch um bestimmte Dinge zu umgehen
und ein wenig Ernsthaftigkeit herauszunehmen.
Stiel: Die Journalisten haben grossen Respekt vor dir
. . .
. . . Angst haben sie, also manche von ihnen,
blöderweise . . .
Stiel: . . . vielleicht können sie mit deiner Ironie
nicht umgehen.
Schlimmerweise, Jörg, verstehen sie in Deutschland vom
Metier teilweise so wenig. Sie tun nichts, um sich
weiterzubilden.
Stiel: Mit der «Bild-Zeitung» redest du gar nicht
mehr.
In Mönchengladbach kam der von «Bild» einmal auf mich
zu: «Herr Meyer, darf ich Ihnen trotz unserer
Spannungen eine Frage stellen? Haben Sie schon unsere
Zeitung gelesen? Wir haben über die Fettsucht von
Reiner Calmund geschrieben.» – «Ja», sagte ich. Und
er: «Wir dachten nur, da das auch Sie betrifft . . .»
Stiel: Und was hast du gemacht?
Ich sagte: «Junger Mann, wenn du keine Schläge willst,
geh schnell einen Schritt zurück.» Stiel: Was war
eigentlich der Grund, warum du in Mönchengladbach
vorzeitig aufgehört hast?
Der Vorstand zweifelte an mir, er vertraute mir nicht
mehr. Ich hätte nach Gladbach ganz mit Fussball
aufhören können. Genug Geld hätte ich gehabt, nicht so
viel, um mit Millionen um mich zu schmeissen. Aber für
das, was ich für meine Frau und meine Familie will,
hatte ich genug.
Zum Beispiel für Rotkäppchen-Sekt.
Zum Beispiel, ja.
Stiel: Der Spruch ist unvergessen.
Nach dem Sieg gegen Bayern (im Juli 2001 bei Stiels
Debüt) wurde ich gefragt, wie ich jetzt feiere. Ich
sagte: «Ich geh nach Hause, mache mit meiner Frau eine
Flasche Rotkäppchen Sekt auf, 3.75 die Flasche von
Aldi, und wir machen einen richtig Tödlichen drauf.»
Ist die Ironie das, was Ihnen den Vorwurf einträgt,
Sie wollten allen gerne den Fussball erklären?
Dass der eine oder andere das manchmal meint,
verstehe ich sogar. Die Ironie oder Selbstironie ist
manchmal auch ein Schutz. Ein Psychologe würde sagen:
Vielleicht ist das eine bestimmte Form von
Unsicherheit. Aber wer mich kennt, der weiss, dass ich
nicht nur ausgeteilt, sondern auch eingesteckt und
über mich selbst gelacht habe. Wenn ich das nicht
könnte, wäre es zynisch.
Sind Sie auch schon stolz gewesen auf einen Ihrer
Sprüche?
Manchmal stelle ich mich vor den Spiegel und küsse
mich selbst (lacht).
Stiel: Gib uns ein Beispiel.
Einem Spieler ist es doch oftmals völlig egal, wer
Präsident oder auch wer Trainer ist. Pass jetzt auf.
Ich verlängerte in Gladbach um zwei Jahre. Ein
Journalist fragte mich: «Herr Meyer, was haben denn
die Spieler gesagt?» Ich antwortete: «Als ich den
Spielern das mitteilte, haben wir das Training für
zehn Minuten unterbrochen, uns umarmt und vor Freude
eine Runde geweint.» Wenn mir so etwas einfällt, freue
ich mich immer.
Monatsinterviews 2007: Werner Franke (30. 6.), Nick
Heidfeld (31. 5.), Mark Streit (21. 4.), Fabian
Cancellara (29. 3.), Didier Cuche (3. 2.), Shaun White
(24. 1.)
***************
Intelligenz und Ironie
Hans Meyer hat Hunger, als er am späteren Nachmittag
in die Gaststätte auf dem Trainingsgelände des 1. FC
Nürnberg kommt. Er beginnt mit einer Portion
Sauerteigbrot («überragend») und fährt mit zwei
Bratwürsten («lecker») fort. Später fragt er: «Gehen
wir noch etwas essen? » Er disloziert dafür in die
wunderbare Nürnberger Altstadt, wo er sich
niedergelassen hat. Seine Freundin, eine
Theater-Dramaturgin, ergänzt die Runde. Er hat keine
Mühe, zu ihr und zur Trennung von seiner Frau nach 40
Jahren Ehe zu stehen. Meyer, Vater von drei Kindern
und Grossvater von acht Enkeln, wird 65 im November.
Er ist ein Spätberufener in der Bundesliga. In der
DDR war er als Schüler des langjährigen
Nationaltrainers Georg Buschner einer der
Profiliertesten des Fachs. Mit Carl Zeiss Jena war er
lange erfolgreich, unter anderem stand er mit diesem
Klub 1981 im Final des Europacups der Cupsieger.
Herrlicher Geschichtenerzähler
Dennoch dauerte es nach der politischen Wende von
1989 etliche Jahre, bis er in der prestigeträchtigen
Bundesliga angekommen war. Dafür musste er erst noch
den Umweg über die holländische Provinz von Enschede
und Deutschlands 2. Liga gehen. Danach wurde er
schnell zur markanten Figur – nicht wegen seiner
Grösse, sondern wegen seiner Kommentare und
Interviews, die oftmals von Ironie durchsetzt sind.
Es ist diese Ironie, zuweilen beissend wirkend, die
ihm auch den Vorwurf eingebracht hat, besserwisserisch
zu sein. In erster Linie aber ist er ein
hervorragender Geschichtenerzähler mit Tiefgang.
Mönchengladbach brachte er in die 1. Liga zurück,
rettete Hertha Berlin vor dem Abstieg, wiederholte
dieses Kunststück in Nürnberg, bevor er den «Club»
letzte Saison auf den 6. Platz und zum Triumph im
Cupfinal gegen Meister Stuttgart führte. Gerade der
Triumph im Cup ist ein später Erfolg, der für ihn so
nicht mehr erhofft gewesen war. Gladbach sollte seine
letzte Station sein, nach neun Monaten Pause wurde er
aber rückfällig und ging nach Berlin. Danach zog er
sich wieder zurück und überraschte mit dem Einstieg in
Nürnberg. «Ich bin zu jung, um zu Hause zu sitzen und
meine Probleme doch nicht lösen zu können», erklärt er
seine Comebacks, wobei er mit Problemen seine Ehe
meint.
Schwärmen von Ferguson
In Nürnberg geniesst er eine Macht, wie sie wenige
Trainer in der Liga haben. Er braucht keinen Manager,
der für ihn einen guten Vertrag herausholt. Er gilt
als cleverer Verhandlungspartner und gehört in
Deutschland zu den Bestbezahlten. Das 4-3-3 ist sein
System, weil er glaubt, dass seine Mannschaft so
rationeller spielen kann und für ein sinnvolles
Passspiel am besten verteilt ist. Er ist keiner, der
sich andere Trainer zu Vorbildern genommen hätte. Aber
er bewundert Arrigo Sacchi für das, was er Ende der
80erJahre bei der AC Milan bewegte. Er schwärmt vom
FC Barcelona unter J0han Cruyff, vom Intellekt Cesar
Menottis und von der «überragenden Leistung» von Alex
Ferguson bei Manchester United.
Beim Abendessen in der Altstadt übrigens stehen für
ihn Bratkartoffeln, Fleisch und Gemüse auf dem Menü.
Er geniesst auch das. (ths.)
Eine angenehme Lautstärke im Auto ist erreicht, wenn die Feuerwehr beim Vorbeifahren ihre Sirene nicht mehr hört!
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