So, ich habe mir gestern "Das wandelnde Schloß" angesehen. Wollte irgendjemand von euch das noch gucken? Mir hat es jedenfalls gefallen, obwohl am Schluß sich irgendwie alles staut und es ein Happy End gibt, bei dem sämtliche losen Enden einfach in ein Knäul gewickelt worden zu sein scheinen.
Die Liebesgeschichte zwischen Sophie und Hauro ist extrem rührend, aber das asthmatische Keuchen (die einzigen Lautäußerungen) von Hund Hien und sein ratloses Im-Kreis-Laufen, wenn irgendwo eine Treppe oder ähnliche Hindernisse auftauchen, unterbrechend das dann immer wieder. Völlig zusammenhanglose Bemerkungen der ihrer Zauberkräfte entledigten und senil gewordenen Hexe aus dem Niemandsland ("Ein hübsches Feuer!" "Calcifer, du bist ein hübscher Dämon!" "Gutes Hundchen!") tun ihr übriges.
Mich hats trotzdem voll erwischt.

Is der so gut wie Chihiro?

Auf jeden Fall ähnlich, das alle sich lieben, ist schon sehr wichtig. Aber bei Chihiro war der Fluch klarer und die Auflösung geradlinig mit ein paar Abenteuern, die verwandelte Sophie bekommt erst nen Pakt mit Calcifer angeboten, aber irgendwie verläuft sich das im Sand. Stattdessen löst sich der Fluch scheinbar von ganz allein, immer, wenn sie schläft oder wenn sie nicht dran denkt, hat sie wieder ihre normale Gestalt. Sie kann Hauro sogar ihre Liebe gestehen und wird erst wieder zur alten Frau, als sie selbst von sich sagt, sie wäre nicht schön.
Also, die Unterschiede zu Chihiro sind, dass Zauberer und Hexen ganz normal sind, Sophie gerät nicht in die Anderswelt. Allerdings ist sie auch älter, fleißiger und gutmütiger als Chihiro. Ihr Fluch ist das handlungsauslösende Moment und sie gelangt zu Hauro, aber im Lauf der Geschichte wird der Fluch und seine Lösung immer mehr zum Hintergrund und je mehr er in den Hintergrund gerät, desto öfter verwandelt Sophie sich selbst zurück. Ihre Liebe zu Hauro und den anderen Figuren wird immer wichtiger und die Bedrohung dessen, also der Krieg, in dem Hauro als Monster kämpft und seine zunehmend unkontrollierbarer werdenden Verwandlungen.
Das Ende ist etwas plötzlich und so dermaßen Happy, dass man ein etwas komisches Gefühl bekommt. Sowie alle zueinander stehen und zusammenbleiben, werden alle erlöst, der Krieg endet, Hauro verwandelt sich nicht mehr, alle tanzen auf ner Blumenwiese. Ende.

Du zerlegst jetzt schon so harmlose niedliche Trickfilme wissenschaftlich wie Deine Hausmärchen. Unglaublich!

Das ist doch nicht wissenschaftlich. Das sollte jedem auffallen, der das guckt. Wissenschaftlich wäre, wenn ich jede Szene einzeln und irgendwelche Gegenstände und Gesten kulturhistorisch bedeutsam erklären könnte, dann mit unterschwelligen Dingen anfangen könnte und seine Bedeutsamkeit für die Menschheit und Charakterbildung des einzelnen abschätzen könnte.
Ich habe bloß die Handlungsstruktur nacherzählt...

"handlungsauslösendes Moment" u.s.w. - Ich bitte Dich! So reden keine Normalsterblichen!

Germanisten sind halt erleuchtet. Und du solltest dich doch ganz gut mit Kameraperspektiven und so Kram auskennen.

Na ja, tu ich eigentlich auch, aber ich hängs nicht so an die große Glocke. Außerdem ist es meistens nicht so erhellend, wie man meinen möchte und wird oft überbewertet. Was nützt es mir Schnitt, Einstellungen, Kamerabewegungen, Perspektiven und Körnung, bzw. alles was bildgestalterisch sonst noch so drin ist, objektiv zu bewerten, wenn es aus dem Gesamtzusammenhang gerissen ist und auf filmsemiotischer Ebene zwar einen Sinn ergibt, im großen und ganzen den Film aber nicht wirklich verbessert oder keine neue Sichtweise des Gesamtkonzepts eröffnet.

Ja, wie soll ich das denn sonst schreiben, wenn du fragst, ob der Film so ist wie Chihiro?

Na bravo. Das enthält doch ungefähr soviel Informationen wie die Kinoreviews in der Programmzeitung. Lies halt das und frag nicht nach meiner Meinung, wenn dir das zu wissenschaftlich ist.

Ich wollte nur wissen, ob er Dir besser als Chihiro gefällt, schlechter oder genauso gut. Is doch ganz einfach. Ich fand z.B. Prinzessin Mononoke überhaupt nicht so gut wie Chihiro.

Es ist so ähnlich. Ob der euch genauso gefällt, weiß ich doch nicht, mir hat Mononoke jedenfalls ganz gut gefallen. Das wandelnde Schloß strotzt jedenfalls vor liebevollen Details, egal, ob bei den Figuren oder einfach die Häuser und Hintergründe. Das Zimmer des Zauberers ist der Hammer, voller Klimbim und Glitzerdinge, und die Städte erinnern verdächtig an berühmte Kleinstädte, die jährlich von Heerscharen von Japanern heimgesucht werden.
Wenn ihr sowas mögt und über das sehr happie happy end und die Plötzlichkeit, mit der es dazu kommt, hinwegsehen könnt, wird euch das sicher gefallen, behaupte ich mal.

Meinst Du mit den Kleinstädten deutsche Kleinstädte?

Nein, russische natürlich.
Na klar deutsche, und elsässische und östereichische. Das ganze hat so nen Kaisereich-Flair.

Ja, da stehen die Japaner doch drauf. Die hatten schon immer ziemlich große Afinitäten zu Deutschland und irgendwann waren wir ja auch mal Verbündete. In Evangelion gabs doch sogar eine Deutsche Pilotin (is witzig wenn die auf einem japanische Sub plötzlich anfangen Deutsch zu brabbeln) und Captain Harlock stammte aus Heiligenstadt, das weißt Du ja.
Ich bin dafür Japan in die EU aufzunehmen, is besser als die Türkei.